LAUF FÜR AUFGESCHLOSSENHEIT – INTERVIEW MIT PETER HAFFNER

Der Initiator des Vereins Pro-Inklusionsschaukel e.V. gem. Saarlouis in Deutschland ist Peter Haffner, ein begeisterter Läufer und sozialer Aktivist. Er lief oft am Spielplatz seiner Siedlung vorbei und beobachtete einmal eine Situation, die ihn sehr bewegte und ihn zum Handeln inspirierte.
Wir sprechen mit Peter über seine Arbeit, seine aktuellen Pläne und darüber, wie der Kampf für Barrierefreiheit die Lebensqualität von Menschen verändern kann, die bisher ausgeschlossen waren.

 

    

Auf dem Spielplatz spielte eine Gruppe von Kindern. Einer von ihnen saß in einem Rollstuhl. Aufgrund seiner Behinderung konnte er nicht mit den anderen spielen und musste daher seinen Freunden beim Spielen zusehen. Das Kind hatte keine Chance zu schaukeln, da keine der Schaukeln auf dem Spielplatz diese Möglichkeit zuließ. Beeindruckt von dem, was er sah, dachte Peter lange über die Situation nach. Als er nach Hause kam, suchte er im Internet nach Informationen darüber, ob es Schaukeln gab, die Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit zum Spielen bieten, und er fand heraus, dass diese Schaukeln existierten. Peter wurde schnell aktiv und gründete mit einer Gruppe von rund 100 Freunden in kürzester Zeit die Facebook-Gruppe "Handicap – Ein Leben mit Behinderung" und kontaktierte den Beauftragten für Menschen Behinderung des Kreises und der Europastadt Saarlouis, Frank Michler, sowie den Sportmanager und Spezialisten für PR- und Marketing Klaus Hoffmann. Unterstützt wurden sie dabei von dem Künstler Mike Mathes und Peter Demmer, Bürgermeister des Landkreises und der Stadt Saarlouis. An dem Projekt nahmen ebenfalls teil Monika Bachmann, Ministerin für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie, und Kerstin Schikora, Abteilungsleiterin und Integrationsbeauftragte des Ministeriums, sowie viele weitere Personen.

In der Zwischenzeit hat Peter eine Zusammenarbeit mit Terma begonnen und die Integrationsschaukel ist zu einem Symbol und einem Instrument zur Bekämpfung der Ungleichheit beim Zugang zum Spiel geworden.

    

Seit wann gibt es den Verein Pro-Inklusionsschaukel e.V. gem. Saarlouis und was machen Sie?

Die Idee, Menschen mit Behinderung das Schaukeln zu ermöglichen, wurde am 15. Mai 2018 im Sport geboren. Gesunde Kinder schaukelten auf einem Spielplatz in meiner Heimatstadt Saarlouis-Fraulautern und ein Kind im Rollstuhl musste zusehen. In diesem Moment war mir klar, dass ich etwas ändern musste. In meiner Gemeinde wurden Unterstützer gesucht. Im Juni 2019 wurden wir als gemeinnütziger Verein unter dem Namen Pro-Inklusionsschaukel e.V. anerkannt und in das Vereinsregister eingetragen.

Was ist das Ziel des Vereins Pro-Inklusionsschaukel e.V. gem. Saarlouis?

Das Ziel des Vereins Pro-Inklusionsschaukel e.V. gem. Saarlouis ist es Menschen mit Behinderung und unterschiedlichem Leistungsniveau die Möglichkeit zum Schaukeln zu geben. Anfang 2019 zeigte eine Untersuchung des Universitätsklinikums Homburg/Saar, dass das Schaukeln eine therapeutische Wirkung hat. Schaukeln beruhigt den Geist und die Seele. Man kann es vergleichen  mit einer Mutter, die ein weinendes Baby in den Arm nimmt und es hin und her schaukelt. In den meisten Fällen beruhigt sich das Kind und hört auf zu weinen. Als Verein haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, eine Integrationsschaukel in unserer Nachbarschaft zu installieren und den Schaukelspaß auch für Menschen zu ermöglichen, die bisher keinen Zugang dazu hatten.

    

Warum interessiert Sie das Thema „Zugänglichkeit“?

Ich glaube, dass alle Barrieren unnötig sind. Die Gleichberechtigung muss zu einer Selbstverständlichkeit und zu einem Standard werden, der für alle gilt. Jeder muss die Möglichkeit haben an der Gesellschaft teilzunehmen, ohne die so genannten Barrieren. Leider gibt es immer noch Orte, Räumlichkeiten und Kommunikationssysteme, die viele Barrieren aufweisen, so dass vielen Menschen die Teilnahme am kulturellen und politischen Leben, wie auch am Arbeitsleben und an der Freizeit verwehrt bleibt.

 

Gibt es in Deutschland ein Problem mit der Zugänglichkeit von Spielplätzen für Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten?

Das Problem der Zugänglichkeit besteht nicht nur in Deutschland. Es ist überall präsent. Bereits im Jahr 2004 hat der Rat der Europäischen Union Leitlinien für ein Gesetz zur Chancengleichheit für alle verabschiedet. Es handelt sich um ein Gesetz gegen Diskriminierung jeglicher Art. Diese Diskriminierung fängt bei ganz banalen Dingen an, wie z. B. der Tatsache, dass eine Person im Rollstuhl eine öffentliche Toilette nicht selbstständig benutzen kann, weil die Tür nicht breit genug ist, oder dass es in Deutschland derzeit keinen barrierefreien Zugang zu Wahllokalen gibt, zu denen jeder Bürger ein Recht auf ungehinderten Zugang hat. Das Gleiche gilt für Spielplätze, wo es immer noch nicht genügend Möglichkeiten für einen gleichberechtigten Zugang für Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten gibt. Das wollen wir als Verein unbedingt ändern!

    

 

Ist es schwierig, die Entscheidungsträger davon zu überzeugen, Erholungsgebiete mit Geräten auszustatten, die für Nutzer mit unterschiedlichen Fähigkeitsniveaus zugänglich sind?

Zu Beginn unserer Tätigkeit konnte sich zum Beispiel niemand eine Schaukel vorstellen, die von einer Person im Rollstuhl frei benutzt werden kann. Es gab Argumente, Fragen, ob es wirklich notwendig sei und wer es überhaupt nutzen würde. Der Durchbruch war die Eröffnung der ersten Schaukelplätze in Saarlouis, die im September 2019 stattfand. So konnte jeder, der die Notwendigkeit nicht verstanden hat, mit eigenen Augen sehen, wie notwendig dieses Gerät ist. Heute kann ich sagen, dass sich diese Meinung im ganzen Land geändert hat. Die Städte und Gemeinden haben die Notwendigkeit erkannt und es ist für mich heute viel einfacher mit ihnen zu sprechen, weil ich nicht mehr bei Null anfangen muss. Am Anfang war es schwer, heute nicht mehr. Die positiven Veränderungen haben begonnen und werden fortgesetzt.


Mit welchen Geräten sollte ein solcher Spielplatz Ihrer Meinung nach ausgestattet sein?

Unser Verein arbeitet derzeit an der Verwirklichung eines Spielplatzes in Losheim am See. Dieser Spielplatz ist ein Projekt, das es in Deutschland noch nicht gibt. Es enthält ausschließlich nur Integrationsgeräte, so dass jeder, unabhängig von seinem Fähigkeitsniveau, Zugang hat.  Das Projekt ermöglicht auch Menschen mit Behinderungen den Zugang zum Wasser. Der Zugang zum Schwimmen mit dem Rollstuhl ist ein absolutes Novum und ein Durchbruch in Deutschland. So wie in Losheim am See kann ich mir jeden Spielplatz ohne Barrieren vorstellen.

    

Projekt: Spielplatz in Losheim am See

Was gibt Ihnen die größte Zufriedenheit bei Ihrer Arbeit und wie fühlt es sich für Sie an, wenn mehr Plätze für Menschen mit eingeschränkter Mobilität zum Spielen vorhanden sind?

Ich bin glücklich über jede Schaukel, die installiert wird. Besonders freue ich mich, dass ich zur Integration und zum Abbau von Barrieren beitragen kann, dass das Leben von Menschen dank unserer Arbeit leichter wird. Menschen mit Behinderungen sind nicht anders als Menschen ohne Behinderungen, aber leider haben sie weniger Möglichkeiten. Wir sind auf dem richtigen Weg, das zu ändern. In diesen 2 Jahren wurde viel erreicht und dies ist erst der Anfang unserer Aktivitäten und Pläne!


Was sind die weiteren Pläne Ihres Vereins in Bezug auf Aktivitäten zur Zugänglichkeit?

Als Verein wollen wir vor allem die Integrationsschaukeln weiter fördern. Wir machen in ganz Deutschland große Fortschritte. Derzeit sind wir in Gesprächen mit weiteren Partnerstädten. Wir haben damit begonnen, die Zugänglichkeit auch über die Grenzen Deutschlands hinaus zu fördern, und wir möchten, dass Luxemburg und Frankreich mit uns gemeinsam etwas an der Situation ändern, so wie es in Deutschland getan wurde. Unser Verein hat in Zusammenarbeit mit der Regierung das Konzept des barrierefreien Zugangs zu Spielplätzen für einen Zeitraum von 3 Jahren angenommen. Es gibt also viel zu tun und wir hoffen, dass wir die Wahrnehmung des Zugangs zu Freizeitbereichen für Menschen mit Behinderungen dauerhaft verändern können!

 

Das wünschen wir uns von ganzem Herzen für Sie und für alle, für die Zugänglichkeit ein wichtiges Thema ist! Ich danke Ihnen für das Gespräch.